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Schottland ohne F = wie ein amputiertes LAMM

Menschen, die an Schicksal glauben, hätten wohl von einer Reise nach Schottland abgesehen.

 

2013, da war Fabienne mit den Zwillingen schwanger, waren wir bereits ein erstes Mal in Schottland. Leider nur vier Tage, denn wir erhielten einen Anruf, dass Fabiennes Mama im Sterben lag, worauf wir sofort wieder zurückreisten. Zwar mit Turbulenzen, aber zum Glück gerade noch rechtzeitig waren wir wieder in der Schweiz, um uns von Jolanda verabschieden zu können.

 

Gefühlt hatten wir deshalb noch eine Rechnung offen mit diesem Land, von dem so viele Menschen schwärmen. Und so planten wir ganze 31 Tage die nördlichen Highlands und vor allem die äusseren Hebriden zu erkunden. Aber ein paar Wochen vor Abreise gerieten unsere Reisepläne ins Wanken. Dies wegen dem Rücken von Fabienne, der mehr und mehr schmerzte. Sitzen? Fast unmöglich. Stehen? Ja, aber nicht zu lange. Liegen? Das noch am ehesten, aber nach längerer Zeit ebenfalls sehr schmerzhaft.

 

Diese Schmerzen inkl. entsprechender Diagnose eines massiven Bandscheibenvorfalls führten dann zu der sehr Tatsache, dass Fabienne nicht reisetauglich ist und sicher nicht nach Schottland reisen kann. Gehen wir oder gehen wir nicht, war nun die schwierige Frage, die eigentlich niemand von uns beantworten wollte. Auch wenn die Erholung für den Rücken viel einfacher möglich ist, wenn die Kinder (und der Mann) aus dem Haus sind. Aber emotional für alle schwierig, insbesondere für Fabienne, denn wir reden hier doch immerhin von einem ganzen Monat.

 

Eine Woche vor Abflug die Entscheidung: ja, LAMM fliegt, und löst eine riesige Datenkarte (bei MobiMatter), damit tägliches Videotelefonieren möglich ist... Und in der Hoffnung, dass Fabienne dann nach zwei Wochen vielleicht noch nachreisen kann.

 

Doch 3 Tage vor Abflug die nächste Hiobsbotschaft: unser vor Ort gemieteter Camper ist im Eimer. Von unseren Vormietern verschrottet. Ok, verschrottet ist definitiv übertrieben, aber zumindest nicht fahrtauglich wenn wir in Edinburgh ankommen. Spätestens jetzt fragt sich auch der überzeugte Nicht-Schicksals-Glauber Marcel, ob das mit Schottland denn wirklich so eine gute Idee war. Irgendwie sollen wir einfach nicht dahin.

 

Aber Marcel gibt nicht auf, und sucht nach einer Alternative. Aber organisiert mal einen Camper für fünf Personen, für vier Wochen, während der Hochsaison, in einem Camper-Mekka, und das gerade mal 3 Tage vor Abflug. Ausgebucht. Ausgebucht. Ausgebucht. Das die immer gleiche Auskunft ob bei Internetsuchen, geschriebenen E-Mails oder auch Anrufen. Einen Tag vor Abflug haben wir uns dann entschieden, für zwei Wochen auf einer 4er-Camper zu wechseln. Und dann nach der Hälfte evtl. wieder auf das grössere Wohnmobil, dann hoffentlich inklusive Fabienne, wechseln zu können. Und so werden wir quasi in letzter Sekunde doch noch fündig.

 

Und fliegen dann tatsächlich gemäss ursprünglichem Plan von Basel nach Edinburgh, einfach leider nur zu Viert. Ohne F, irgendwie wie ein amputiertes LAMM ohne Mama bzw. Partnerin. Deshalb liessen wir es uns auch offen, was nach zwei Wochen passiert, wenn wir den kleineren Camper wieder abgeben. Fabienne reist nach und wir nehmen einen 5er-Camper (falls vorhanden), gehen fix in ein Häuschen falls dies für den Rücken besser ist, reisen wieder nach Hause, oder bleiben auch ohne Fabienne so lange wie geplant.

 

Am Abend der Ankunft nahmen wir unseren kleinen Camper entgegen und übernachteten auf einem Parkplatz in Livingston. Abendessen in einer Take Away-Pizzabude, wo bei der Bestellung jeweils der Name angegeben werden muss. So ist auch dann das Foto unten entstanden, als dann ein gewisser Borsel die Pizzas bestellt hatte... Dieser Borsel wurde dann zu einem Running Gag, denn Marcel heute noch manchmal hört. 

 

Ab dem nächsten Morgen ging es dann los gen Norden. Eigentlich schon während der Reise, aber gefühlt ab da war Marcel für praktisch alles alleine verantwortlich. Im Linksverkehr mit einem handgeschalteten, grösseren Auto navigieren, die angepeilten Ziele finden, Pläne für den Tag schmieden, Essen planen und einkaufen, kochen, waschen, putzen, erziehen, spielen, Camper jeweils wieder auf- und abbauen. Das alles ohne eingespielte Abläufe wie zuhause. War das alles easy? Nein, ganz und gar nicht. Am Abend war Marcel nach dem Einschlafen der Kids um 22.30h noch kurz mit der Planung des Folgetages beschäftigt, bevor er dann jeweils komplett erschöpft selber weggenickt ist. Zum Glück spüren das die Kinder, wenn sie mehr mit anpacken müssen. So haben sie es gegen Ende der zwei Wochen fast alleine geschafft, den Camper nach Ankunft auf den Campingplätzen "schlafready", und am nächsten Tag auch wieder "abfahrbereit" zu machen. Der Abwasch wurde jeweils von ihnen gemacht während Papa die "Küche" aufräumte und sie haben auch bei der Essensplanung mitgeholfen. Insgesamt eine strenge, aber auch wertvolle Zeit für LAMM. Und zu Beginn täglich, später dann teilweise nur jeden zweiten Tag, folgte dann der Videoanruf mit Fabienne. Der immer schön und traurig zugleich war. Denn F fehlte schon gewaltig bei allen und bei allem.

 

Und trotzdem haben wir auch zu Viert wunderbare Abenteuer erlebt. Von Seehund-Aufzuchtstationen, über Hirsche die quasi vor unserer Nase den Weg gekreuzt haben, Nebelwanderungen bei denen wir fast die Orientierung verloren haben, oder wenn es so matschig war, dass man gleich im Fluss wandern konnte. Apropos Matsch... das Wetter war insgesamt schon etwas zu britisch, aber zum Glück waren wir kleidertechnisch gut ausgerüstet. So wurden dann halt im Regen Geocaches gesucht oder ein gutes Glace gejagt. Und mit mehr Platz beim ursprünglich gemieteten Wohnmobil, welches dann nach zwei Wochen wieder verfügbar war, waren dann auch nasse Kleider weniger ein Problem.

 

Mit anderen Worten: ja, wir sind die ganzen viereinhalb Wochen in Schottland geblieben. Leider die ganze Zeit nur als LAMM. Am allerletzten Abend - der Zufall will es manchmal so - spielte dann ausgerechnet unser FC Luzern auswärts sein Europacupspiel in Edinburgh. Ein eindrückliches Erlebnis zusammen mit den paar Hundert FCL-Fans vom Stadtzentrum ins Fussballstadion zu laufen, und dabei von den zahlreichen Touristen bestaunt zu werden. Mit dabei sogar Marcels Bruder bzw. Anous Götti, der für diesen Match extra in seine Lieblingsstadt gereist ist.

 

Nach diesem letzten Highlight und der letzten Übernachtung ging es dann zurück in die Schweiz, wo FLAMM nach einer der intensivsten Umarmungen der letzten Jahre nicht mehr amputiert, sondern endlich wieder komplett war. 

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