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Der Machu Picchu & das verbotene Foto

Lange war für uns klar: den Machu Picchu besuchen wir nicht. Denn oft, wenn wir in der Vergangenheit die Top-Sehenswürdigkeiten irgendwo auf dieser Welt besuchten, waren wir im Nachgang enttäuscht. Zu viele Touristen. Alles klar reglementiert. Zu abgelöschte und verkaufsorientierte Menschen, die aus den Touristen Profit schlagen wollen. Schöne Begegnungen entstehen kaum. Und die eigentlich kraftvollen Orte strahlen nichts dergleichen aus. Sie wirken auf eine gewisse Art seelenlos. So für uns z.B. der Horse Shoe in den USA, der Karnak Tempel in Luxor oder auch der Milford Sound in Neuseeland. Aber wir haben auch das Gegenteil erlebt - Orte, denen die Magie (noch immer) innewohnte: der aktive Vulkan Fagradalsfjall (Island) mit seinem donnernden Lärm und der spuckenden Lava, das Tal der Könige in Luxor gleich bei Sonnenaufgang oder eine Fotografentour im Upper Antelope Canyon (USA), wo man die ganze Schlucht für eine Stunde für sich alleine hatte. 

Je näher wir Peru kamen, desto klarer war für Marcel, dass er dem "alten Berg" eben doch einen Besuch abstatten möchte. Das bedeutet Machu Picchu nämlich in Quechua, einer der vielen indigenen Sprachen in der Andenregion. Und mitbekommen haben wir auch, dass man es "Matschu PiKtschu" aussprechen sollte, also mit k, was weltweit praktisch niemand tut. Dies sei wichtig, denn "Pitschu" ohne k sei sehr nah an "Pitschi". Und "Pitschi" bedeutet offenbar Penis. Wer möchte den schon den alten Penis besuchen?

 

Am Anfang wollte nur Miro mit Marcel mit, am Ende gingen wir dann doch zu fünft. Zu sehr hat uns die Inka-Kultur immer wieder begleitet durch die inzwischen vier besuchten Länder. Der klassische Weg zum Machu Picchu führt über eine Zugverbindung von Cusco oder Ollantaytambo nach Aguas Calientes, auch "Little Machu Picchu" genannt. Eine Strassenverbindung in dieses sehr touristisch geprägte Dörfchen gibt es nicht. Es gäbe noch die deutlich längere Umfahrung per Bus oder Mietwagen mit anschliessendem, zweistündigem Fussmarsch, aber wir haben uns für die klassische Variante entschieden. Alles andere als günstig, fast das Preisniveau der Schweizer Züge ohne Halbtax. Aber irgendwie auch verständlich, dass man versucht, aus diesem einzigen Reiseweg zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Südamerikas Profit zu schlagen.

Fabienne steht für diesen Ausflug um 03.00h auf für ihre Rückenübungen, der Rest der Familie um 04.00h. Um 04.50h werden wir pünktlich vom Taxifahrer mit leichtem Gepäck abgeholt und nach Ollantaytambo gefahren. Um 06.10h fährt der Zug. Ticket- und Passkontrolle. Fabienne nimmt die Mappe mit den Pässen hervor, doch darin sind nur 4 Pässe. Marcel's Pass fehlt. Er hat zwar die ID dabei, aber darauf steht eine andere Nummer als auf dem Ticket. Kommen wir trotzdem rein? Zum Glück, ja. Aber wo ist der fehlende Pass? Etwas Schlimmeres als das Vermissen dieses Dokuments auf einer Reise durch mehrere Länder gibt es fast nicht, zumal der nächste Grenztransfer relativ bald folgen wird. Aber aktuell bleibt uns nichts anderes übrig als zu hoffen, dass sich der Pass doch noch irgendwo in unserem aktuellen Zuhause in Calca befindet

 

Die Zugstrecke ist sehr schön. Der Wechsel von weitläufigen Feldern und verschlafenen Andendörfern im heiligen Urubamba-Tal hin zu den Nebelwäldern ist eindrücklich. Man fühlt sich von den steilen, hohen Bergen erdrückt und eingebettet zugleich. Kurz vor 8 Uhr treffen wir in Aguas Calientes ein und werden quasi in den Touristenstrom gepresst. Anstehen für das Busticket (eigentlich mit Pass, aber auch hier wird die ID akzeptiert). Angesprochen werden von Dutzenden von Guides, welche uns bei unserem Besuch begleiten wollen. Dies löst bei uns in der Regel Fluchtgedanken aus. Dennoch haben wir eine schöne Begegnung mit einem ebendieser Guides. Ein sympathischer Mann, der hier in Aguas Calientes aufgewachsen ist, und gefühlt schon immer als Guide für den Machu Picchu tätig war. Er gibt sympathisch und offen Auskunft, teilt ein paar Tipps. Und für einmal hat man wirklich das Gefühl, dass dies komplett ohne Hintergedanken geschieht. Er werde schon noch zu seinen Touren kommen, meint er.

Anschliessend warten wir mit sehr vielen weiteren Touristen auf die Busse, welche uns abholen für die Fahrt zum Machu Picchu mit einer Eintrittszeit zwischen 9 und 10 Uhr. Man stelle sich vor, man hätte bei den Schweizer Bergbahnen ein Ticket nur für eine bestimmte Uhrzeit. Das ganze Prozedere läuft in Anbetracht der grossen Touristenmenge erstaunlich effizient ab.

 

Knapp eine halbe Stunde dauert die Fahrt hoch zum Machu Picchu, über unzählige Haarnadelkurven. Oben angekommen ist es beim Eingang enorm wuselig. Je nach gebuchter Route muss man anderswo anstehen. Neben einer klassischen Route durch die Ruinen haben wir uns für die Besteigung des Machu Picchu Mountain entschieden. Einerseits war für uns klar: wenn schon den ganzen Weg hier hoch, dann auch richtig. Und andererseits wussten wir, dass wir so den grossen Menschenmengen für den grössten Teil unserer Zeit hier oben entfliehen können. Denn es gibt pro Tag nur 400 Tickets für die Besteigung des offiziell so genannten Machu Picchu Mountain. Was - nur so nebenbei - ein ziemlich doofer Name ist. Denn das heisst nichts anderes als "alter Berg Berg". Na ja, ohne Übersetzung klingt es definitiv besser. Der Weg auf den Machu Picchu Mountain ist nur 2.2 km lang. Dafür sind jedoch happige 600 Höhenmeter zu absolvieren, was 3'333 Norm-Treppenstufen entspricht. Streng, selbst für uns, wobei wir dabei nur die Erwachsenen meinen. Die Kinder hüpfen quasi da hoch. Die vielen Stufen haben zur Folge, dass nur ein kleiner Teil der 400 Besuchenden mit diesem Ticket wirklich bis ganz nach oben wandert. Viele begnügen sich mit einer Aussichtsplattform weiter unten. An unserem Tag waren es maximal 50 Leute, die wie wir ganz oben waren, also sehr gut verdaubar.

Die Aussicht von oben wunderschön. Nicht nur runter auf das Inka-Dorf und den dahinterliegenden Huayna Picchu (=junger Berg), sondern auch 360 Grad auf all die anderen steilen Berge bedeckt durch Nebelwald. Nach einer ausgiebigen Mittagspause geht es wieder runter in Richtung Inka-Ruinen, wir haben ja noch den Rundgang durch diese vor uns. Abstieg über die teils sehr kurzen Treppen, was vor allem Marcel mit Trekking-Schuhgrösse 46 vor einige Probleme stellt, aber wir kommen alle heil unten an. Eine Glacé mit den Sorten schwarzer Mais oder Chirimoya dient als Stärkung, bevor wir uns in die Ruinen begeben. Wir haben vorgängig gelesen, dass es am Nachmittag massiv weniger Touristen hat, und es stimmt. Genau nach unserem Gusto. Und es ist wirklich eindrücklich, was hier vor vielen hundert Jahren geschaffen wurde. Z.T. tonnenschwere Steine, die millimetergenau aufeinandergestapelt wurden, und ein ausgeklügeltes Wassersystem sind nur zwei der vielen Besonderheiten dieser Ruinen. Diese sind nur deshalb so gut erhalten, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen Inka-Bauten nie von den Spaniern gefunden und zerstört wurden.

Neben dem Schlendern durch die verschiedenen Ruinen wollen natürlich auch wir das eine oder andere FLAMM-Erinnerungsstück auf einer der zahlreichen Aussichtsplattformen als Foto festhalten. Im Gegensatz zu vielen Anderen haben wir jedoch darauf verzichtet, uns extra für diese Aufnahmen Ponchos zu kaufen oder sogar die edle Abendgarderobe von zuhause mitzubringen, damit der Insta-Post möglichst viele Follower erreicht.

Zu fünft, zu viert, zu dritt und teilweise auch nur zu zweit machen wir die klassischen Fotos mit Ruinen und Huayna Picchu im Hintergrund. Marcel nimmt Fabienne seit langem wieder einmal für ein Foto auf den Rücken, Miro ist der Fotograf. Nach ein paar Sekunden ein greller Pfiff. Zuerst reagieren wir ganz entspannt, denn dieser kann wohl kaum uns gelten. Bis wir nach wiederholtem Pfiff merken, dass der Wärter doch genau uns meint. Uns klar zu signalisieren gibt, dass wir irgendetwas Verbotenes tun. Fabienne klettert von Marcels Rücken runter, auch wenn sie keine Ahnung hat, was nicht in Ordnung sein soll. Wir laufen die kurze Treppe hinunter, wo der Wärter, der uns ab Zeitpunkt der Pfiffe nie mehr aus den Augen lässt, zu verstehen gibt, dass wir den Fotoapparat hervor nehmen sollen. Das Foto von vorher müsse gelöscht werden. Sprünge und menschliche Türme seien verboten. Ach wirklich? Da haben wir wohl den Machu Picchu-Verhaltenskodex nicht gründlich genug studiert. Dies ist genau einer der Gründe, weshalb solche Hot Spots eigentlich so gar nicht unser Ding sind. Wir schalten den Fotoapparat ein, zeigen das aufgenommene Bild, und löschen es vor seinen Augen. Er ist zufrieden und wir gehen weiter. Zum Glück hat er nicht verlangt, noch zu den vorherigen Fotos zurückzublättern. Denn Miro hat drei Fotos gemacht, nicht nur eines. Und die beiden übriggebliebenen, eigentlich verbotenen Fotos, möchten wir euch hier natürlich nicht vorenthalten.

Und mit welchem Gefühl haben wir den Machu Picchu wieder verlassen? Trotz des unnötigen Intermezzos mit dem Wärter insgesamt mit einem sehr positiven. Die Einbettung der Ruinen in dieses eindrückliche Bergmassiv mit seinen Nebelwolken ist einfach unglaublich, und kann nicht mit Fotos festgehalten oder wiedergegeben werden. Die Ruinen selbst sind beeindruckend, auch wenn die Magie durch die zu vielen Touristen schon ziemlich stark verloren geht.

 

Den anschliessenden Abend und die Nacht in Machu Picchu Village haben wir als Familie genossen. Dank den zusätzlichen Stunden sieht man so auch hinter die Touristenecken des umtriebigen Dorfes. Und Fabienne hat als Erinnerungsstück sogar noch ein paar Bettflohbisse in unser aktuelles "Zuhause" mitnehmen dürfen. Strenge, aber schöne und bleibende 1 1/2 Tage. Und dem aufmerksamen Leser, der aufmerksamen Leserin fehlt wohl noch eine Auflösung. Was ist mit Marcel's Pass? Gleich nach der Rückkehr in unser Häuschen begann die Suche. Alles haben wir auf den Kopf gestellt, und nichts gefunden. Bis tatsächlich im letzten Fach des letzten Rucksacks das rote Viereckige mit Schweizer Kreuz zum Glück doch noch zum Vorschein kam...

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Kommentare: 3
  • #1

    panthy (Dienstag, 02 Juli 2024 04:37)

    was für es schöns abentür �
    inkl. happy end ����� alptraum vo jedem reisende. liebs grüessli

  • #2

    Monika (Dienstag, 02 Juli 2024 13:15)

    Wonderschön ond es esch fascht so wie wemmer selber debie wär.
    Eindrücke fürs Leben, super...

  • #3

    Sonja (Mittwoch, 03 Juli 2024 21:15)

    einmal mehr Merci für die spannenden Eindrücke.
    super, dass Marcels Pass doch noch gefunden wurde:-)….
    Herzgruss